·                     Zusammenleben der nationalen und ethnischen gruppen in völgység vom zweiten weltkrieg bis in die gegenwart

·                     1. Einführung, Zielsetzung

Die vorliegende Dissertation ist der Disziplin Gesellschaftsgeographie zuzuordnen. In den ersten Jahrzehnten des Staatssozialismus veranlasste die Wissenschaftspolitik eine Zuwendung der Geographie zu den Bereichen Natur- und Wirtschaftsgeographie Parallel zur Neubelebung der geschichtlichen, ethnographischen und soziologischen Forschungen in den 1970-er Jahren wandten sich auch Geographen wieder der Untersuchung der Gesellschaft zu.

 Nach der Verfassung einer wirtschaftsgeographischen Diplomarbeit zur Industrie meines Wohnortes habe ich mich den ortshistorischen Forschungen des Völgység und den Forschungen zur Geschichte der Nationalitäten in den Komitaten Tolna und Baranya angeschlossen. Gemeinsam mit Imre Solymár als Mitautor erschloss ich Quellen zu den Seklern aus der Bukowina. Im Ergebnis der bereits auf mehrere Jahrhunderte zurückblickenden Erforschung des Völgység gehört diese Gegend in dieser Hinsicht zu den am besten erschlossenen Mikrolandschaften Ungarns. Aus den ortsgeschichtlichen Forschungen in den 1990-er Jahren ging eine Reihe von Gemeindemonographien hervor; wobei auf den sog. Völgységer Konferenzen auch die Landschaftsebene erfasst wurde, und zwar zunächst in archäologischer und ethnographischer Sicht. Anschließend wurde dank dem Geographischen Institut an der Universität Pécs sowie dem von Professor Dr. József Tóth geleiteten Doktorandenprogramm "Territoriale und Umweltprobleme gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Aktivitäten“ auch der Bereich Geographie mit einbezogen.

Das Antlitz Südtransdanubiens, des Komitates Tolna und dabei des Völgység wurde durch zwei bedeutende ethnische Umstrukturierungen geprägt. Nach der türkischen Besetzung gab es hier eine spärliche ungarische und südslawische Bevölkerung. Im Zuge des bis in die zweite Hälfte des 18. Jhs. dauernden Neubevölkerungsprozesses nahm das angesiedelte Deutschtum erheblich zu (Tolna: 27 %, Kreis Völgység 75 % - auch noch 1941). Nach 1920 blieben infolge der Optierungen nur in den Gemeinden Medina, Grábóc und Dunaföldvár serbische Einwohner. Nach dem zweiten Weltkrieg veränderten die Aussiedlung eines bedeutenden Teils der deutschen Bevölkerung sowie die Ansiedlung von Seklern aus der Bukowina bzw. von Magyaren aus Oberungarn die ethnische Zusammensetzung. Der Anteil der Deutschen fiel im Komitat Tolna auf 12 %, im Kreis Völgység auf ein Drittel zurück.

Bei der Untersuchung der Region haben Szenyéri Z. (2002) mit ethnisch-geographischem und Aubert A. (1994) mit sozialgeographischem Ansatz zwei sehr wichtige Aspekte der Beurteilung  des Siedlungsnetzes hervorgehoben: den Status der Siedlung – d.h. die Stellung in der Hierarchie der Siedlungen – sowie die Funktion der ethnischen Gruppen in der Gliederung der Gesellschaft. Gáspár G. (2001) hat bei der Untersuchung der Gemeinde Bóly und deren Umgebung im Komitat Baranya einen Faktor hervorgehoben, der sich für das Fortbestehen der Siedlungsgemeinschaft als entscheidend erwiesen hat. Dieser war die Fähigkeit, Interessen zu artikulieren und durchzusetzen, die  gleichzeitig auch ein Merkmal des Kohäsionsstatus der Gemeinschaft ist. Die ethnischen Bindungen wurden natürlich von allen Forschern als ein von mehreren Faktoren geprägter Bestandteil der gesellschaftlichen Struktur behandelt; dabei hielten sie die Qualität der lokalen Gesellschaft in den einzelnen Entwicklungsphasen für bestimmend.

Ausgehend vom Vorstehenden untersuche ich, auf welche Art und Weise die ethnisch-nationalen Gruppen die lokale Gesellschaft gliedern und pflegen – wobei ich sie als Lebensform-Gruppen im Sinne von Bobek betrachte, weil sie die Natur der eigenen Absicht entsprechend gestalten (Bobek, H. 1948). Ich betrachte also die ungarischen landschaftlich-ethnischen Gruppen und die deutsche Nationalität als bestimmende, Struktur bildende Elemente der lokalen Gesellschaft. Mein Forschungsthema ist eine Mikrountersuchung, die die umweltprägenden Aktivitäten der ethnisch-nationalen Gruppen der lokalen Gesellschaft darauf prüft, welche Rolle diese in der ganz Südtransdanubien repräsentierenden Kleinlandschaft im 18-20. Jh. und in der Gegenwart gespielt haben bzw. spielen.

Abgrenzung des Forschungsbereichs:

Das topographische Problem ist komplex: Völgység ist eine geschichtliche Kategorie, die Bezeichnung wurzelt in der volkstümlichen Namensgebung; gleichzeitig gehört es zu den Landschaften, die mit den Veraltungsbezirken mehr oder weniger übereinstimmen – siehe etwa Göcsej im Komitat Baranya oder Hegyhát bzw. Ormánság im Komitat Baranya. Das verwaltungsrechtlich verstandene Völgység ist also ein Kreis mit sich historisch verändernder Ausdehnung, eine ab dem 18. Jh. mal kleinere, mal größere Einheit, die zwischen 1725 und 1977 relativ kontinuierlich bestand. Völgység ist Teil der Nationalitätenregion Tolna_Baranyaer Hügelland. Es ist aber nicht nur eine Agrarlandschaft mit dem sich urbanisierenden Industrie- und Handelszentrum Bonyhád, sondern es gehören auch Dörfer des Bergbaugebietes Nord-Mecsek dazu. Wegen der Quellen bestehe ich auf der Größe Kreis bzw. Mikroregion – welche das Kerngebiet des Kreises darstellt – obwohl aufgrund der Untersuchung des Einzugsgebietes auch die Baranyaer Siedlungen Hidas, Mecseknádasd, Ófalu, Óbánya, Máza, Szászvár usw. hierher gezählt werden könnten.

Das Hauptproblem besteht in der Erfassung der Bevölkerungszahlen der ungarischen ethnisch-ethnographischen Gruppen und der deutschen Nationalität und resultiert aus den unausreichenden statistischen und Archivquellen. Das Bestreben, ein möglichst vollständiges Bild zu entwerfen, bedeutet natürlich nicht, dass ich jeden Aspekt der außerordentlich komplizierten Prozesse einzeln behandeln kann. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei ethnisch basierten Ansätzen. Die Leitmotive sind die Feststellung der Bevölkerungszahl und die Erfassung der dominanten Wirkungsfaktoren.

Bei meinen Untersuchungen wollte ich folgende Fragen beantworten.

·         Welche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Merkmale kennzeichneten den untersuchten Raum vor dem zweiten Weltkrieg?

·         Wie spielte sich der durch Zwangsmigration bedingte Bevölkerungswechsel in Völgység zwischen 1944 und 1948 ab?

·         Wie nahm die lokale Gesellschaft nach der politischen Wende 1948 Gestalt an?

·         Welche gesellschaftliche und geographische Mobilität wiesen die Siedler und die lokale Bevölkerung in der ersten Etappe der sozialistischen Ära auf?

·         Was für neue Formationen traten im letzten halben Jahrhundert an die Stelle der früheren nationalen-ethnischen Organisationsstrukturen?

·         Wie integrierten sich die Siedlergruppen in die lokale Gesellschaft?

·         Wie wirkten sich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen auf das Verhältnis der ethnisch-nationalen Gruppen in den einzelnen Perioden der Kádár-Ära aus?

·         Wie reagierte die lokale Gesellschaft auf den gesellschaftlichen Strukturwandel bei der Wende 1989/90 und auf die neuen Herausforderungen?

 

 

 

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