Zusammenleben der nationalen und ethnischen gruppen in völgység vom zweiten weltkrieg bis in die gegenwart

2. ÜBERBLICK DER FACHLITERATUR

Der Begriff Kulturlandschaft als Analogie zum naturgeographischen Landschaftsbegriff in der deutschen und französischen Geographietheorie geprägt worden. In der Kulturlandschaft bilden diverse kulturelle Elemente eine komplexe räumliche Struktur dar. In der ungarischen Forschung begründeten Pál Teleki, Jenõ Cholnoky und Gyula Prinz die Landschaftsgeographie (Pap N. – Tóth J. 1999. p.10, Berényi I. 1997. p.110.). Auch die nach der ungarischen Wende wiedergeborene Gesellschaftsgeographie betont die komplexe  Herangehensweise an den geographischen Raum. (Tóth J. 2002. p.19.).

Die Abgrenzung der Begriffe Einzugsgebiet, „Stadtgegend“, Mikroregion und deren oft unbedachte Verwendung stellt ein wesentliches Problem dar. Der Rahmen für die rechtliche Regelung der „Stadtgegend“ wurde in Ungarn 1971 abgesteckt, anschließend vermehrte sich die Zahl der Verwaltungseinheiten in Stadtgegenden zunehmend. Laut Gesetz Nr. 21 von 1996 ist die „Stadtgegend“ eine Mikroregion mit Einzugszentrum, eine auf Selbstorganisation beruhende territoriale Einheit zwecks Koordinierung von Entwicklungsmaßnahmen.

Das Einzugsgebiet ist auch nach meiner Auffassung eine objektive historisch-geographische Kategorie, die auf einer bestimmten Ebene der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung zustande gekommen ist und in der bürgerlichen Stadtentwicklung ihren Höhepunkt erreicht hat. Es umfasst den Raum, der sich aufgrund bestimmter Funktionen an eine zentrale Siedlung anschließt. Bedingt durch die späte Entwicklung beginnt sich das Einzugsgebiet in Ungarn erst ab Wende vom 17. zum 18. Jh. auszuformen und nimmt erst im Zuge des Urbanisierungsprozesses im letzten Drittel des 20. Jhs. mit der Entstehung eines territorialen Systems von Einzugsgebieten endgültig Gestalt an (Beluszky P. 1999)

In der Geographiewissenschaft wird der Terminus „Ethnizität“ im Bereich der ethnischen Geographie verwendet. Dort bedeutet der Begriff „die Art und Weise, auf die die persönliche Identität zum Ausdruck kommt, und jenen Typ der gesellschaftlichen Schichtung, der die tatsächliche oder angenommene Abstammung sowie kulturelle Merkmale zugrunde liegen” (Kocsis K. 2002. p.319). Keményfi R. (2003) hält die Verwendung des Begriffs vor allem in der Mikroforschung für angebracht, weil er meint, dass durch die Untersuchung der sich ständig verändernden mentalen Räume die Dynamik der ethnischen Veränderungen erfasst werden kann.

Nationalität bedeutet für mich eine Volksgruppe in Minderheit, die innerhalb eines Staates nicht die Sprache der Mehrheit spricht (Kõvágó L. 1978), und die entsprechend dem mitteleuropäischen  kulturellen Begriff der Nation neben der Sprache durch Kultur, gemeinsame historische Vergangenheit, durch das daraus resultierende Verhalten, durch die Mentalität und die bewusste  Zusammengehörigkeit gegen andere Gruppen abgrenzt (Kósa L. 1980). Somit sind die Völgységer Deutschen und Serben sinngemäß Nationalitäten; das Judentum betrachte ich als religiöse Gemeinschaft und die Zigeuner mangels einer besseren Wahl als ethnische Gruppe.

Als ethnisch-ethnographische Gruppe betrachte ich der im Karpatenbecken anerkannten Auffassung entsprechend eine Gruppe von Menschen mit spezifischem Wir-Bewusstsein und gemeinsamer Herkunft, weil sie sich aufgrund ihrer historischen Wurzeln gegen andere Gruppen abgrenzen (Gunda B. 1943, 1963, Kósa L. Filep A. 1975, Viski K.1938). Ich benutze die Definition einer ungarischen ethnischen Gruppe, wonach die Sekler eine zum Schutz der Ostgrenzen angesiedelte ungarische Volksgruppe mit freiem Status, mit spezieller Organisation und Selbstverwaltung ist, die ein besonderes historisches Bewusstsein und spezifische ethnographische und dialektale Merkmale aufweist. Ihrem Kreis entstammt ein kleiner Volksgruppenteil, der nach der Schlacht bei Madéfalva im Jahre 1764 sein Seklertum beinahe zwei Jahrhunderte lang in der Bukowina bewahrte und sich zu einer selbständigen ethnischen Einheit entwickelte. Die ungarische Ethnographie betrachtet die Ungarn in der Bukowina als ethnisch-ethnographische Gruppe (Kósa L. Filep A. 1975. pp.74-75.).

Dankó I. (1982) hat die Magyaren in Oberungarn aufgrund geographisch-staatlicher Definiertheit als südslowakische ungarische Volksgruppe bezeichnet. Es handelt sich jedoch um eine Kategorie mit tiefer reichenden historischen Wurzeln. Vor 1918 verstand man unter dem Begriff Oberungarn die größtenteils von Nationalitäten bewohnte nördliche Gebirgslandschaft des historischen Ungarns. Nach dem Friedensvertrag von Versailles erweiterte sich der Inhalt des Begriffs Oberungarn, man bezog ihn auf das gesamte Gebiet, das der Tschechoslowakei angeschlossen wurde. Der Begriffsinhalt hat sich jedoch sowohl nach dem ersten Wiener Schiedsspruch als auch nach 1945 verändert (Paládi-Kovács A.1994). Ich muss mit der Meinung von László P. (1996) einverstanden sein, dass der Ausdruck „Magyaren aus Oberungarn“ ein Sammelbegriff ist und als solcher von der Geschichtswissenschaft interpretiert werden kann. Als Magyaren in Oberungarn betrachte ich die in der Slowakei lebende ungarische nationale Minderheit, und das Volkselement, das aus ihrem Kreis seit 1920 zwangsweise oder freiwillig ins „Mutterland“ übergesiedelt ist (Kósa L. – Filep A. 1975).

Die in Völgység angesiedelten Ungarn aus Siebenbürgen muss ich analog dazu als Sammelkategorie aufgrund des Herkunftsgebiets betrachten.

Die Minderheitenbezüge der Bevölkerungsbewegungen nach dem zweiten Weltkrieg wurde in der ungarischen Geschichtsschreibung eine Zeit lang als Tabu behandelt, ausgenommen den ungarisch-slowakischen Bevölkerungsaustausch (Gerényi T. 1948, Szabó K. É. Szõke I. 1962, Komanovics J. 1966). Die Momente dieses Prozesses wurden erst in den letzten zwei Jahrzehnten erfasst; in den Arbeiten des Historikers und Archivars Füzes M. (1988) und der Forscherin Tóth Á. (1993) ist auch das Bedürfnis nach Synthese durchgekommen. Die Forschung hat ein Stadium erreicht, in dem die oft einseitige politikgeschichtliche Herangehensweise durch komplexe interdisziplinäre Forschung ersetzt werden konnte, siehe etwa die Untersuchung des Bergbaugebietes Nord-Mecsek (Ruzsás L. 1972) oder die Untersuchung des ethnographischen Wandels des Baranyaer Hegyhát von Andrásfalvy B. (1977). Meine Auflistung bliebe unvollständig ohne die historisch-demographischen methodologischen Untersuchungen von Hoóz I. et. al. (1985) im Rahmen der Nationalitätenforschung im Komitat Baranya (Hoóz I. Kepecs J. Klinger A. 1985).

Der Integration der ausgesiedelten/vertriebenen Ungarndeutschen in Ungarn ist eine einzigartige Monographie von Füzes M. (1999), das einzige ungarische wissenschaftliche Werk zur Thematik, gewidmet. Der Autor wendet dabei die Methode der Interviews an.
Im deutschen Sprachraum ist eine Vielzahl von Werken zur Migration und Integration der aus Ostmitteleuropa in die Besatzungszonen Deutschlands ausgesiedelten „Volksdeutschen“ erschienen. Bedeutende Ergebnisse sind erzielt worden in der Periodisierung des Integrationsprozesses und in der Erfassung seiner allgemeinen Regularitäten (Erker, P. 1988, Bade, K. J. 1990, Tolksdorf, U. 1990), über die Hunderttausende ausgesiedelten Ungarndeutschen liegen jedoch nur sporadische Arbeiten vor.

Die Geographie befasst sich bereits mit der Migration der vom zweiten Weltkrieg bedingten ungarischen Flüchtlingswellen aus den Gebieten jenseits der in Versailles festgelegten Grenzen (Dövényi Z. 1997, Kocsis K. 1991, 1993), ihre Integration ist aber noch nicht unter die Lupe genommen worden. Über die Integration und Mobilisierung der Siedlergruppen in Völgység liegen nur sporadische  wissenschaftliche Publikationen vor: Andrásfalvy B. (1972, 1973), Komanovics J. (1970), László P. (2002, 2003), Solymár I. (1991).

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